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Warum Positives Denken nicht immer weiterhilft

Candies Out the Jar

Wir wissen doch alle darum, dass eine positive Einstellung und Haltung oft auch zu einem positiveren Erlebnis oder Ergebnis führt. Daher kommt wohl auch die Annahme, dass es einen Unterschied macht, ob man das Glas als halb leer oder als halb voll betrachtet. Doch was passiert, wenn wir in eine Situation kommen, die weder schön noch schön zu reden ist? Wo sind dann die Menschen, die einfach nur zuhören, mitfühlen und nicht mit Poesiesprüchen um sich werfen, einfach weil das (vor allem ihnen selbst) ein gutes Gefühl gibt?!

Es gab in meinem Leben schon einige Krisen, die sich schwer angefühlt haben, die zäh waren, anhielten, die mich zum Zähneknirschen brachten, mir den letzten Nerv raubten und in denen es mir wirklich seltenst geholfen hat, wenn Menschen darauf mit Optimismus Boostern reagiert haben. Ich würde heute sagen, dass dies Zeiten waren, in denen mein Glas weder halb leer noch halb voll war: Es war einfach nur leer. Vollkommen leer! Und genauso habe ich mich dann auch oft gefühlt – leer. Aber was macht man denn dann, wenn man tatsächlich nur noch das Glas hat? Erstmal dankbar sein, dass man ein Glas hat, würde ich sagen. Da war aber nicht nur das leere Glas, sondern es waren auch Menschen um mich herum, die jede Menge Ratschläge hatten, wie sich meine Situation ganz schnell wieder ändern könnte. Doch manche Krise endet nicht so schnell. Und ich glaube, das ist auch gut so. Denn ein leeres Glas bringt uns an innere Haltungen, Überzeugungen und auch Enttäuschungen, die wir im normalen „Mein Glas-ist-halb-voll-Alltag“ gar nicht mehr wahrnehmen können. Ich war also durchaus zufrieden, nur das Glas zu haben. Schlimmer geht immer, dachte ich mir. Und noch schlimmer wäre es in meinem Fall gewesen, gar kein Glas zu haben, wenn wir in der Metapher bleiben wollen.

Ich kann also aus Erfahrung sagen, dass mich mein leeres Glas meine eigenen Abgründe erkennen ließ. Und das war wirklich – obgleich echt herausfordernd – jedes Mal eine sehr gute und lehrreiche Zeit für mich. All das, was mich Krisen gelehrt haben, bietet mir nun die Grundlage, auf der ich mein Leben weiter aufbaue. Viele Kämpfe, viele Lebens- und Sinnfragen, die Menschen oft dann ereilen, wenn sie Eltern werden oder ein bestimmtes Alter erreichen, habe ich glücklicherweise bereits während meiner Zeit als junge Single durchforstet. Es kostete mich aber den Preis, dass mich viele meiner Freunde nicht durch diese Zeit begleiten konnten. Es ist nämlich schwer, jemandem beizustehen, wenn er in einer Krise ist. Wir sind oft hilflos und überfordert mit Leid, wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen. Dabei braucht es oft nicht viel. Ein offenes Ohr, eine nette Geste, manchmal eine Umarmung, eine ablenkende Aktion oder nur die Worte „Hey, ich bin da, wenn du reden möchtest.“ Und auch wenn die Krise überstanden ist, bei mir nach zwei langen Jahren, kostet es den Preis, jemanden, mich „neu“ kennenzulernen und kennenlernen zu wollen. Krisen stärken und verändern uns. Sie bringen in uns oft Ungeahntes zum Vorschein, lassen uns Neues an uns entdecken und das kann manchmal bedeuten, dass jemand sein ganzes Leben umkrempelt oder neu sortiert.

Bunter Cupcake in den Händen

Ich möchte dich mit diesem Beitrag bestärken, Mut zur Krise zu haben. Mutig zu sein, auch mal eine unbestimmte Zeit lang mit einem leeren Glas durchs Leben zu gehen. Ich möchte dich ermutigen und dir sagen, dass dich das leere Glas vieles lehren wird, was du später nicht missen willst. Und ich möchte dir sagen, dass es vollkommen okay ist, in Situationen festzustecken, in denen kein positiver Ratschlag deine Stimmung hebt oder dir hilft – denn auch solche Zeiten gehören zum Leben dazu. Und ich finde, auch in solchen Zeiten brauchen wir Freunde und Menschen um uns, die das aushalten, die uns aushalten, ganz ohne positive Motivationssprüche. Vielleicht hast du momentan keine Krise, noch nie eine gehabt – dann genieße das Leben, aber werde sensibel für deine Reaktion auf das Leid anderer und frage dich, wie du jemand anderem genau der Freund sein kannst, den er oder sie braucht.

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