Tickst du noch ganz richtig?
Generationen verstehen lernen!
Wir alle kennen das Phänomen: Jeder von uns tickt ein bisschen anders! Das kann Fluch und Segen zugleich sein. Jede Generation, von den Babyboomern bis hin zu Generation Z, ist unterschiedlich geprägt durch die Erlebnisse der jeweiligen Zeit, in denen man Kindheit erlebt hat und herangewachsen ist. Jede Zeitspanne bringt unterschiedliche Prägungen, Ansichten und historische Ereignisse mit sich, die für die nachfolgende Generation vielleicht schon überholt sind. Das wird erst dann richtig lustig, wenn all diese unterschiedlich geprägten Menschen aufeinandertreffen, beispielsweise in der Arbeitswelt. Konflikte und Missverständnisse sind vorprogrammiert und es braucht eine gute Führungskraft, die sich mit den Generationen und damit, wie sie ticken, auskennt, um vermitteln zu können. Ist das Verständnis füreinander vorhanden und das Denken des jeweils anderen für alle nachvollziehbar, liegt in der Vielfalt der Generationen ein enorm großes Potential voneinander zu lernen und miteinander auszukommen.
Doch wie genau finde ich heraus, wie unterschiedlich wir aufgrund der Zeitepoche, in der wir geboren wurden, ticken? Diese Frage habe ich mir jüngst auch gestellt und mithilfe des Buches „Wie tickst du? Wie ticke ich?“ von Miriam und Nikola Engelhardt konnte ich viele Antworten auf meine Fragen finden. In diesem Artikel möchte ich anhand des Buches die einzelnen Generationen, angefangen bei den Babyboomern, bis hin zu Generation Z, etwas näher beleuchten und hoffe, dir damit ein Gefühl für die Einzigartigkeit unserer Mitmenschen vermitteln zu können. Was du daraus machst ist natürlich dir selbst überlassen. Allerdings hoffe ich, dass dich diese neuen Einsichten begeistern, sodass du auf Menschen zugehen kannst, die du vielleicht zuvor versucht hast zu meiden, weil du einfach nicht verstanden hast, wie diese ticken.
Ich habe keine Mühen gescheut und zu jeder Generation jeweils eine Person befragt, wie sie ihre Kindheit beschreiben würde, bzw. was die Zeit ihres Heranwachsens im Wesentlichen geprägt und bestimmt hat – so sehr, dass diese Prägung bis heute vorhanden ist. Diese Statements sollen die Beschreibung der jeweiligen Generation ergänzen.
Generation Babyboomer (1945-1965)
K.(weiblich), geboren 1964:
„Wir lebten in einer sehr politischen Zeit geprägt von Rebellion und Radikalität. Prägend war auch die Welle des Feminismus und der steigende Wohlstand.“
Die Generation der Babyboomer war geprägt von patriarchalischen Familienstrukturen: Vater arbeitet und hat das Sagen, Mutter bekommt Kinder und bleibt oft zu Hause, die Kinder haben nur etwas zu sagen, wenn sie gefragt werden. Es herrschte eine gewisse Strenge in der Erziehung, gezeichnet durch Strafen und Prügel. In den Kindern äußerte sich dieser Erziehungsstil in Tüchtigkeit und Fleiß. Mit der Jugend der Babyboomer geht das Wirtschaftswunder einher, somit steht Bildung offen für alle, auch vermehrte Studiums- und Ausbildungsmöglichkeiten verhelfen den Babyboomern dazu unabhängiger zu werden, von den Eltern und dem eigenen Zuhause. Somit entsteht eine zunehmend freier werdende Jugendbewegung der Babyboomer, die ihre Interessen, Gedanken und Gefühle miteinander teilt, sich abgrenzen will von dem Lifestyle der Eltern. Die Zeit der Selbstreflexion beginnt: Der Erziehungsstil, die Art und Weise zu leben, wie das Elternhaus es vorgemacht hat, wird hinterfragt, abgelehnt und es wird dagegen revoltiert. Es entsteht die sogenannte Hippiebewegung: Freie, nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung strebende Menschen. Sie schaffen es, aus dem engen Rahmen ihrer traditionellen Kindheit auszubrechen und finden heraus, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Eine Zeit geprägt von individuellen Möglichkeiten und neuen Bildungschancen beginnt, hervorgehend aus dem Wirtschaftswunder und der damit eihergehenden Aufbruchsstimmung. (Vgl. Engelhardt)
Generation X (1965-1985)
C.(männlich), geboren 1976:
„Ich bin Teil der Generation X und habe gelernt mit begrenzten Ressourcen auszukommen und mich an eine sich ständig verändernde Welt anzupassen. Ich bin skeptisch gegenüber Autoritäten, die uns als „verlorene Generation“ abwerten. Ich vertraue auf meine eigenen Fähigkeiten, um meine Träume zu verwirklichen. Ich suche Freiheit darin, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und meinen eigenen Weg zu gehen, Verantwortung für mich und andere zu übernehmen, anstatt einem vorgefertigtem Lebensplan zu folgen.“
Die Kindheit der Generation X war nicht nur vom Reichtum des Wirtschaftswunders geprägt, der sich in den Familien durch zunehmenden Wohlstand zeigte, sondern auch von der Zeit der Anti-Baby-Pille, mit der die Zeit des geburtenstärksten Jahrgangs, der Babyboomer, endete. Dies veränderte auch die Kindheit, denn Kinder wuchsen mit weniger oder keinen Geschwistern auf - in dieser Generation entsteht Langeweile. Die Kinder spielen vermehrt allein und in ihrem Zimmer, denn Wohlstand, Spielzeug und ein eigenes Kinderzimmer sind Normalität geworden. Lernen die Kinder dieser Generation, sich selbst zu beschäftigen, so erleben sie gleichzeitig aber auch Einsamkeit. Das Kindheitsideal verändert sich drastisch – weg von Zucht und Ordnung hin zu einer unbeschwerten und fröhlichen Pippi-Langstrumpf Mentalität. Doch das Wirtschaftswunder bringt nicht nur den Aufschwung und Wohlstand mit sich, sondern auch allmählich die ersten Auswirkungen der globalen Umweltzerstörung, mit denen sich gerade Generation X konfrontiert sieht. Das hat Auswirkungen auf die Jugend, welche das Gefühl bekommt, dass ihre Zukunft bereits ruiniert ist, bevor sie richtig begonnen hat. Daraus entstehen Subgruppen, wie Punks, Grufties, …die auf unterschiedlichste Art und Weise ihre Wut und Empörung darüber zum Ausdruck bringen. Die Zeit der Proteste beginnt, doch über das „Dagegen“ hinaus fehlt es dieser Generation an einer echten Vision, wie sie die Generation zuvor hatte, indem sie die Denkstrukturen ihrer Eltern auflösten und neue, eigene kultivierten. (Vgl. Engelhardt)
Generation Y (ab 1985 – 2000)
H.(weiblich), geboren 1990:
„Aufgewachsen bin ich in einer Welt voller Möglichkeiten, geprägt von Globalisierung und weltweiter Vernetzung. Mit dem Beginn des Handys wurde die Schnelllebigkeit unserer Zukunft offenbar – man kannte noch das Alte, stand aber bereits immer mit einem Bein im Neuen.“
Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Generationen steht Generation Y die Welt offen, ganz nach dem Motto: „Alles ist möglich!“. Sie wachsen auf in einer Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, alles kann studiert oder gelernt werden, das gibt viel Spielraum, führt aber auch zu Unsicherheiten: Wie soll man sich da entscheiden, gar zurechtfinden? Auch der Erziehungsstil hat sich verändert. Erzogen wird nach dem beziehungsorientierten Ansatz, mit viel Verständnis. Die Kinder werden in alltägliche Fragen mit einbezogen, sodass die Eltern für sie zu Vertrauten werden. Hierarchie oder gar Prügel sind zu No-gos geworden und von der Erziehungstagesordnung gänzlich verschwunden. Damit ist diese Generation mit hierarchischem Denken, wie es in der Arbeitswelt aber noch vorkommt, kaum vertraut. Generation Y ist es gewohnt zu reden und zu erzählen, auch wenn sie nicht gefragt wird. Flexibilität ist gefragt, denn diese Generation erlebt nicht nur einen häufigen Wechsel ihrer Bezugspersonen im Laufe ihrer Kindergarten- und Schullaufbahn, sondern auch im Studium, der Ausbildung oder dem Praktikum findet sie eine Bandbreite an wechselnden Kursen und Angeboten vor. Durch das Vermischen der virtuellen und realen Welt mithilfe des Internets werden die Vernetzungsmöglichkeiten, gerade im Jugend- und Erwachsenenalter, zunehmend geweitet. Durch die unbegrenzten Möglichkeiten, die dieser Generation geboten werden, wirken sie oft sprunghaft. Generation Y fühlt sich dort wohl, wo sie willkommen geheißen werden und Anerkennung finden, denn das ist ihr großes Bestreben, das gibt ihnen Sicherheit. (Vgl. Engelhardt)
Generation Z
A.(weiblich), geboren 2000:
„Ich bin aufgewachsen in einer digitalen Welt mit unrealistisch vermittelten Standards durch social media. Streben nach Spaß und Autonomie sind prägend für meine Generation, ebenso die Abhängigkeit von Trends.“
Ob Generation Z bereits existiert oder ob diese Personengruppe noch zur Generation Y zählt, darüber sind sich Experten noch nicht einig. Nichtsdestotrotz ist Generation Z in aller Munde. Grundsätzlich kann man sagen, dass diese Generation der vorhergehenden sehr ähnlich ist, mit ein paar Upgrades: Noch mehr mediale Vernetzung, mehr Zugang zu künstlicher Intelligenz, mehr Verwendung moderner Technik in allen Lebensbereichen usw.
Für diese Generation kommen jedoch existenzielle Fragen des Lebens hinzu: Existenzsicherung verbunden mit Arbeitslosigkeit sorgen für herausfordernde Zukunftsperspektiven – zumindest in einigen Ländern der EU, wie zum Beispiel Griechenland, Spanien oder Italien (Vgl. statista). Der Erziehungsstil ist gleich geblieben, aber der Ausbau von Fremdbetreuungseinrichtungen nimmt zu. Die neue Herausforderung der Generation Z ist nicht mehr der Umgang mit dem Internet, sondern mit dem Smartphone, dem ständigen Zugang zum WLAN und den Social Media Kanälen. Experten vermuten, dass dies zu Herausforderungen führen kann, wie beispielsweise einem dauerhaften Druck und Standhalten gewisser medialer Erwartungen, dem ständigen Drang nach Selbstdarstellung und der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne durch die gegebene Dauerablenkung. Wie die zukünftige Generation damit umgehen oder daran scheitern wird bleibt vorerst offen – die nächsten Jahre werden es offenbaren. (Vgl. Engelhardt)
Diese sehr spannenden und weitreichenden Entwicklungen der Zeitepochen, die sich auf die Prägung der darin aufgewachsenen Menschen auswirken, sorgen für eine Vielfalt des Miteinanders. Um einen entspannten Umgang mit den einzelnen Generationen zu entwickeln ist es sicher hilfreich ein paar Fakten zur jeweiligen Generation zu kennen. Dies kann für ein besseres Verständnis sorgen.
Zu beachten bleibt jedoch, dass dies eine allgemeine Zusammenfassung der jeweiligen Generationenepoche ist – sicherlich trifft das so nicht auf jeden Menschen zu, der in dieser Zeit aufgewachsen ist. Dafür spielen zu viele weitere Faktoren in unsere Kindheit und Jugend mit hinein, zum Beispiel wo wir aufgewachsen sind und unter welchen Bedingungen. Meine Eltern, die im Osten lebten, als Deutschland noch unterteilt und mit einer Mauer durchtrennt war, nahmen Kindheit und Jugend ganz anders wahr als meine Schwiegereltern, die im Westen Deutschlands aufwuchsen. Massive Unterschiede, obgleich beide zur selben Generation, den Babyboomern gehören. Somit reicht das bloße Verständnis einer Zeitepoche nicht aus, um einen Menschen besser kennen zu lernen, kann jedoch helfen. Es bleibt allerdings nicht aus, dass wir uns darum bemühen den Gegenüber persönlich kennen zu lernen, indem wir beispielweise Fragen stellen, um mehr über seine Biografie und sein Leben zu erfahren.
Wenn ich mit diesem Artikel dein Interesse wecken konnte und du mehr erfahren willst über die verschiedenen Generationen und Zeitepochen, dann empfehle ich dir das Buch „Wie tickst du? Wie ticke ich? Babyboomer, Generation X bis Z – Altersgruppen verstehen in Bildung und Beruf“ von Miriam und Nikola Engelhardt. Es ist leicht zu lesen und beinhaltet neben der Beschreibung der jeweiligen Generationengruppe eine Vielzahl an Praxisbeispielen aus dem Berufsleben, die einen Einblick verschaffen welche Generationenkonflikte im Arbeitsleben entstehen und wie damit umgegangen werden kann.
Quellen
Engelhardt, Miriam; Engelhardt, Nikola (2019): Wie tickst du? Wie ticke ich? Babyboomer, Generation X bis Z – Altersgruppen verstehen in Bildung und Beruf. Bern: hep verlag ag.
Statista: „Jugendarbeitslosigkeit steigt in allen EU-Ländern“, unter: https://de.statista.com/infografik/24096/jugendarbeitslosenquote-in-eu-laendern-im-dezember-2020/, abgerufen am 17.04.2023.