Mehrgenerationelles Leben -
Mehr als ein Lebensstil!
In diesem Interview bin ich im Gespräch mit einem Ehepaar, deren Lebensstil es ist ein "offenes Haus" zu haben. Was genau das bedeutet und wie das aussieht, haben sie mir verraten.
„Erzählt doch mal eben ein paar Eckdaten zu eurer Person und dazu, wie euer Lebensalltag in der Regel aussieht.“
E. (♀): „11.11.63, von Haus aus Diätassistentin, Leidenschaft: Kochen und Chillen. Drei Jungs, Baujahr 92, 94, 99. Vier Enkel: Fünf, drei, zwei. Und: Ich liebe das Leben.“
R. (♂): „Ich bin 63. Mein Alltag sieht so aus, dass ich drei bis vier mal die Woche arbeiten geh - auf dem Bau Fenster und Türen einbaue. Hobbies: Alte Autos. Und ich liebe das Leben auch.“
„E. magst du noch was zu deinem Lebensalltag sagen?“
E.: „Im Moment bin ich arbeitssuchend und genieße das Privileg den ganzen Tag zu Hause zu sein und mir meinen Alltag selbst zu gestalten. Ich werkel dann viel in der Küche, koche ein, wurschtel im Garten und liebe es Gäste zu haben. Wir haben auch viele Gäste und das hält mich dann beschäftigt.“
„Wie ist euer Lebensstil, ein offenes Haus zu haben, entstanden und was bedeutet 'ein offenes Haus haben' in diesem Fall für euch?“
E.: „Also ich komme schon aus einem Haus, das sehr offen war. Wir waren zu Hause sechs Kinder, meine Eltern waren Gemeindeleiter - die hatten immer viele Leute. Wir hatten Tageskinder, wir hatten sogar Ganztagespflege, also wir hatten immer ein offenes Haus, das heißt jeder war willkommen und jeder konnte so sein wie er ist. Von daher komme ich schon aus einem Elternhaus, wo wir immer ein offenes Haus gelebt haben. Da war es selbstverständlich, dass wir auch ein offenes Haus leben, also das war dann nix neues.“
R.: „Ich hab noch drei Brüder und meine Eltern haben auch immer viele Feiern gehabt und viele Bekannte. Bei uns gab es ständig Leute, wir waren also ganz selten alleine als Familie und von daher war ich eigentlich gewohnt, dass ich immer mit Leuten zusammen bin. Das war für mich nie fremd oder ungewohnt.“
„Wie öffnet ihr euer Haus? Wie können wir uns das vorstellen? Wie läuft das ab?"
E.: „Ich drücke die Türklinke runter, dreh den Schlüssel und mach die Tür auf.“ (lacht) „So einfach ist das!“
R.: „Wir laden Leute ein, ich glaube das ist ein Punkt. Wir sprechen das auch an, wenn wir Leute besuchen, dass wir sie einladen. Manche Leute kommen der Einladung nach, manche kommen öfters, manche kommen auch immer wieder und das denke ich hat sich auch so für manche ergeben, dass sie entspannt hier sein können, ohne, dass es für sie Stress bedeutet.“
E.: „Ich denke das hat ganz viel mit Persönlichkeit zu tun und Hintergrund, da ich schon aus einem Hintergrund komme, wo man ein offenes Haus hatte, wo 'ne große Familie war. Ich bin eine sehr extrovertierte Person, die das ein Stück weit genießt, darin auftankt mit anderen zusammen zu sein – so entspricht das ein Stück weit meinem Naturell, dass es ganz einfach ist die Leute einfach kommen zu lassen und sein zu lassen, wie sie sind. Ich denke, das hat was damit zu tun, dass man weiß, wer man ist, was man kann und was man nicht kann und dazu zu stehen. In einem Wort: Authentizität. Das ist das, was die Leute sehen und attraktiv finden. Ich brauch jetzt kein cleanes (sauberes) Haus, hier ist nicht immer alles sauber. Bei mir findet man auch Staub. Mir ist es viel wichtiger die Leute persönlich willkommen zu heißen. Mein Ausdruck dieses Willkommenseins bedeutet auch immer, was zu backen oder zu kochen oder den Tisch schön gedeckt zu haben. Ich glaube Authentizität macht Leute attraktiv. Und ich empfinde es nicht als super anstrengend Leute hier zu haben, die meisten „laufen“ einfach bei uns mit.“
„Ihr habt Gäste aus verschiedenen Generationen. Wo gibt es bei den unterschiedlichen Altersgruppen Herausforderungen und an welchen Stellen ist es bereichernd?“
E.: „Ist alles bereichernd!“
R.: „Also was uns manchmal schwer fällt ist, wenn Leute kommen, die nicht spielen. Wir sind Leute, die spielen gerne Karten oder Brettspiele und wenn dann jemand kommt, der absolut nicht spielt ist das schon herausfordernd. Also von daher finde ich es schon entspannt, wenn Leute einfach mit am Tisch sitzen, nach dem Abendessen noch ein Spiel mit machen. Beispielsweise ein unkompliziertes Kartenspiel, was jedes Kind ab fünf Jahren kann, relativ einfach, aber man ist beschäftigt und kann dann trotzdem den Abend mit Gesprächen weiterführen.“
„Habt ihr beide eine Arbeitsteilung im Haus?"
E.: „Ja: Ich mach alles.“
R.: „Genau! (lacht) Und ich guck, dass sie es richtig macht.“ (alle lachen)
E.: „Ich bin halt noch ein alter Babyboomer, da war das eine typische Rollenverteilung. Ja, oft ist es so, dass R. sich einfach um Getränke kümmert. Aber schlussendlich, wenn ich weiß es kommen die Gäste, er arbeitet, ich bin im Moment den ganzen Tag zu Haus, macht ja gar keinen Sinn, wenn ich sage 'R. das ist aber deine Arbeit!' also von daher.“
„Überlegt ihr euch eine Agenda, wenn Gäste kommen oder wie füllt bzw. gestaltet ihr die gemeinsame Zeit?“
E.: „Wir haben den situativen Ansatz…ähm… nein wir haben jetzt keine Agenda. Wir überlegen uns schon 'Ach, wenn die kommen, dann könnte man mit denen vielleicht da spazieren gehen.' Also wir haben schon oft so ein paar Ideen, aber schlussendlich, ähm, hängt es davon ab ... klar mit Kindern sagste dann eher mal 'Komm gehen wir um die Ecke auf den Spielplatz' und ohne Kinder fährt man vielleicht mal irgendwo hin. Sagen wir mal wir haben ein paar Optionen, aber wir würden nie eine genaue Agenda ausarbeiten.“
„Habt ihr Tipps und Anregungen für alle, die auch gerne mehr in Gemeinschaft leben möchten?“
R.: „Ja, ich würde zum Beispiel sagen, was wir oft gemacht haben, ist, dass wir zum Beispiel regelmäßige Essen mit Leuten gemacht haben, die uns wichtig waren. Zum Beispiel haben wir sie alle vierzehn Tage einen Abend eingeladen zum Essen, auch mit Kindern, um sie einfach näher kennen zu lernen.“
E.: „Auch aus der Gemeinde hatten wir ne Zeit lang, wo wir uns gesagt haben, wir tun uns, einmal im Monat war das glaub ich, regelmäßig gegenseitig mit Familie zum Abendessen einladen, um uns kennen zu lernen, Kontakte zu schließen, außerhalb Kontext Gemeinde, um einfach …“
R.: „ … auch privat Kontakt zu halten. Sind auch mit Leuten oft in den Urlaub gefahren, mit Familien.“
E.: „Wir fahren eigentlich fast immer mit Leuten in den Urlaub. wir sind selten alleine.“
R.: „Ja und dadurch lebt man das dann auch nochmal. Ein Urlaub ist ja sowieso eine andere Situation, aber wenn man dann in einem gemeinsamen Haus ist, erlebt man den anderen auch nochmal anders.“
E.: „Ich denke, was halt auch noch wichtig ist, dass auch jeder eine Rückzugsmöglichkeit hat, weil das haben wir ja immer. Jederzeit kann der Gast sich in sein Zimmer zurückziehen. Ich kann mich schließlich auch zurückziehen. Ähm, klar kostet das dann auch Energie, wenn Leute da sind, aber ich genieße das und dann bin ich halt ein, zwei Tage hinterher mehr introvertiert. Also ich würde sagen, Tipps sind : So unkompliziert wie möglich, man muss nichts Großartiges an Essen auffahren, es muss auch nicht alles 'clean' sein, sondern einfach eine Atmosphäre schaffen, die authentisch ist.“
Fazit: Dieses gemeinsame Gespräch war für mich sehr inspirierend und erfrischend. Es zeigt die Leichtigkeit eines Lebensstils, der durch die vielen Menschen sehr vielfältig geprägt wird.
Danke E. und R. für eure Offenheit und das ihr einen Einblick in euren Alltag gewährt habt.