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Kinderfreude am Gullydeckel
Abschalten und neue Kreativität tanken!

 

Image by Mick Haupt

Natürlich erzähle ich dir nichts Neues, wenn ich davon berichte, dass Kinder, sobald sie laufen, fast überall stehen bleiben und sich für etwas faszinieren können – ein am Boden liegendes Blatt, ein Wurm, eine Feder, Menschen, Tiere, sogar für Dinge, die uns Erwachsenen gar nicht mehr auffallen würden. Wie schnell verlernt der Mensch diese aufmerksame Wahrnehmung, wie schnell laufen wir resigniert und filternd durch unsere Umwelt, ohne diese bewusst wahrzunehmen? Natürlich hat Filtern auch sehr gute Eigenschaften, sonst wären wir permanent reizüberflutet.

 

Ja, auch ich kenne die Momente, in denen man sein Ziel fest im Blick hat, sich denkt: „Ist ja nicht mehr weit...“ und dann eine halbe Stunde später feststellt, dass man sich mit dem Kind gerade mal 10 Meter vor und 15 zurück bewegt hat. Für Menschen, die gerne schnell sind oder gar den Anspruch haben Ziele zu erreichen, eine echte Herausforderung. Doch was hält uns davon ab, uns dieser Herausforderung hin und wieder einmal zu stellen, etwas vom Kind zum momentan so aktuellen Thema der Achtsamkeit zu lernen?

Als ich neulich mit dem Kleinen unterwegs war und ihn einfach mal losstiefeln ließ, auch mit dem Hintergedanken seine Laufmotivation zu steigern, bevor sich Kind zwei auf den Weg macht, merkte ich sehr schnell: Weit würden wir heute nicht kommen. Doch ich merkte ebenso schnell, dass dies nicht schlimm ist, denn ich hatte kein bewusstes Ziel im Kopf, wollte nur noch etwas Luft schnuppern, bevor die Abendroutine beginnt. Also lehnte ich mich innerlich zurück und lenkte meinen Fokus auf das, was mein Kind wahrnahm. Achtsamkeit im Alltag ist durchaus kein Thema, welches einem Kind jemals nahegebracht werden muss, ganz im Gegensatz zu uns Erwachsenen, die regelrecht dazu neigen im Alltag oder auch im Berufsleben „auszubrennen“, wenn sie nicht lernen würden sich selbst, den Moment und ihre Bedürfnisse darin wahrzunehmen. Ohne dass man es einem Kind erklären müsste, hält es inne und nimmt sich Zeit für die Dinge des Lebens, die es, seinen Bedürfnissen nach zu urteilen, braucht. Den Moment bewusst erleben ist für sie etwas sehr Natürliches. Achtsamkeitsseminare sollten uns aus diesen Gründen unsere eigenen Kinder vermitteln.

 

So verweilten mein Sohn und ich also mehrere Minuten lang kniend am Gullydeckel. Wahrlich nicht der schönste Ort ein Päuschen einzulegen, dennoch durchaus interessant. Sehr geduldig erkundete er erst den Deckel an sich, danach fing er an verschiedene Naturmaterialien, die er am Boden fand, zu sammeln und eins nach dem anderen im Gullydeckel verschwinden zu lassen – das war in der Tat eine langwierige Beschäftigung und durchaus spannend herauszufinden, welche Dinge denn durch die Öffnung gehen und welche nicht. Ich entschuldige mich an dieser Stelle bei allen Kanalreinigern, die an diesem Gullydeckel Standort viel Freude bei der nächsten Reinigung haben werden.

Vielleicht denkst du dir „nichts Neues für mich, mein Kind hat auch schon Momente und Stunden an den merkwürdigsten Orten verbracht“, doch ich möchte deinen Blick an dieser Stelle auf zwei andere Dinge lenken. Einmal möchte ich näher beleuchten, dass Kinder genau diese Momente des ungestörten Wahrnehmens brauchen, um zu lernen. Was für uns aussieht wie ein bloßes vor sich hin Spielen, stellt im Inneren des Kindes einen komplexen Prozess an neuronalen Vernetzungen und somit einen Prozess des kindlichen Lernens dar (Wer dazu mehr erfahren möchte, findet genauere Erklärungen, wie unser Gehirn funktioniert und wie wir lernen, im Buch von Hüther & Quarch „Rettet das Spiel!“). Stell dir nur mal vor, unsere Schulen würden vermehrt das Prinzip des spielerischen Lernens anwenden – dazu müsste man Kinder nicht motivieren, denn spielen ist intrinsisch in ihnen angelegt. Das wäre revolutionär, denn allzu oft geht das spielerische Lernen im Schulalltag leider verloren.

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Auch als Erwachsene sollten wir Zeiten des „Spielens“ haben, Zeiten, in denen unser Kopf frei sein darf, um neue Kreativität zu tanken. Das ist das Zweite worauf ich deinen Blick richten möchte: Die Tatsache, dass die einfachsten, meditativen Aufgaben uns so entspannen können, dass unser Gehirn währenddessen zu seiner kreativsten Hochform aufläuft. Wie oft ist unser Alltag so voll und geplant, dass wir uns nach einer Pause sehnen? Ich erlebe es oft als herausfordernd im Alltag mit Kids, etwas nur für mich zu tun. Oft hat das mit Planung, Absprachen und Zeitmanagement zu tun und nicht zuletzt mit etwas Glück, dass der guten Planung nichts dazwischen kommt, denn wir wissen alle: Auch ein geplanter Alltag mit Kindern ist letztendlich unberechenbar. Dabei kann Abschalten und spielerische Impulse Setzen viel einfacher sein, als wir uns das manchmal vorstellen. Hast du, um abzuschalten oder neue Kreativität zu sammeln, schon einmal versucht deine Bücher im Regal nach Farben zu ordnen? Klingt nach einer völlig stupiden und absurden Aufgabe, dennoch ist es so, dass die besten Gedanken und Ideen dort entstehen, wo wir unserem Gehirn eine Pause gönnen.

Durch Tests mithilfe von Kernspintomografie wurde herausgefunden, dass das Gehirn gerade dann aktiv ist, wenn die Testperson scheinbar nichts macht, sich der Tagträumerei hingibt. Durch den Zustand, in dem eine Person nicht nachdenkt und sich mental nicht beschäftigt bzw. keinen äußerlichen Reiz bekommt, zeigt das Gehirn nachweislich mehr Aktivität, als im Falle einer Aktivierung von außen. Unfassbar, wie produktiv unser Gehirn ist, gönnen wir ihm eine Pause! Als würde es just in diesem Moment aufatmen, so wie wir es tun, beispielsweise in einer lang ersehnten Kaffee- oder Zigarettenpause nach einem anstrengenden Meeting. (Vgl. Spectrum.de Scilogs)

Mit diesem Wissen möchte ich dich zu mehr Tagträumerei einladen. Tun wir es unseren Kindern gleich und gönnen wir unseren Hirnen mehr Alltagspausen. Damit könnten die besten Ideen entstehen, über die wir schon viel zu lange angestrengt nachgrübeln, zudem verschaffen wir unserem Gehirn die Möglichkeit angestaute Energie zu verbrauchen. Ich kenne solche Momente im Alltag nur zu gut, in denen ich einfach mal eben schnell mit den Inlinern ne Runde um den See düsen würde, um Energie zu verbrauchen, Dampf abzulassen oder mich nach einem mental anstrengenden Tag auszupowern. So oder so ähnlich muss es sich für unser Gehirn anfühlen, in den scheinbaren Zeiten des „Nichtstuns“.

 

Hier folgen ein paar Tipps und Anregungen, um den Modus zum Relaxen aktivieren zu können, für die besten, kreativsten Gedanken und Ideen:

 

  • sich auf die Wiese ins Gras legen und den Himmel, die Wolken beobachten

  • Waschlappen bügeln (eigentlich sinnlos seine Waschlappen zu bügeln, aber sicher sehr meditativ!)

  • mit Opa die Werkzeugkiste sortieren

  • die Duplosteine des Kindes nach Farben geordnet zu Türmen bauen

  • Bügelperlen farblich sortieren

  • seine Bücher im Regal der Größe oder Farbe nach sortieren

  • mit Oma Socken stopfen

  • Uromas Schallplattensammlung abstauben

  • ...sei kreativ!

 

Diese Anregungen lassen sich nicht nur alleine, sondern auch gut in Gemeinschaft mit den Kindern, den Enkelkindern, Oma und Opa umsetzen, also ein kreativer Prozess für die ganze Familie, wenn du es so möchtest. Wäre das nicht auch mal eine interessante Gemeinschaftsbeschäftigung nach dem gemeinsamen Familienessen?

Quellen

 

Spectrum.de Scilogs: „Produktive Langeweile“, unter: https://scilogs.spektrum.de/thinky-brain/produktive-langeweile/, abgerufen am 01.02.23.

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