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Ein Urlaubsbericht

Kinder spielen am Meer

Meine Familie und ich gehören zu der seltenen Spezies Mensch, die in der Tat einmal im Jahr darum bemüht ist, als ganze Familie gemeinsam Urlaub zu machen. Richtig gelesen: Die ganze Familie! Hört sich für dich erst einmal nicht nach Entspannung an? Abwarten!

Um diesem Ausmaß ein genaueres Bild zu verschaffen, möchte ich kurz beleuchten, um wen es sich dabei alles handelt: Mein Mann und ich mit 2 Kleinkindern, Schwiegereltern, Schwager mit Frau und Schwägerin. Man muss dazu fairerweise erwähnen, dass wir auch im alltäglichen Miteinander einen engen Kontakt pflegen und das Miteinander sehr schätzen, Leben und Alltag teilen, sowie füreinander einstehen.

Trotzdem bekomme ich immer wieder erstaunte Komplimente, dass wir eine solche Gemeinschaft freiwillig wählen, denn es ist nicht selbstverständlich, mit der großen Familie einen Urlaub zu planen, schon gar nicht, wenn sich die einzelnen Familienmitglieder in so unterschiedlichen Lebensphasen befinden wie in unserem Fall. Eine Zeit, die wohltuender kaum sein kann und doch ihre ganz eigenen Herausforderungen birgt – jedes Jahr aufs Neue.

In diesem Beitrag möchte ich euch teilhaben lassen an meinen ganz persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen über die Vor- und Nachteile gemeinsamer Familienurlaube.

Urlaub ist in unserer Wohlstandsgesellschaft etwas sehr Heiliges, etwas, dass man sich verdient, dass selbstverständlich zum Leben und einem natürlichen Lebensalltag dazugehört. Urlaub wird heute in vielen Fällen nicht nur zur Erholung oder als Auszeit aus dem Alltagstrott genutzt, sondern auch, um sich auf den sozialen Medien zu präsentieren. Ich frage mich manchmal still und heimlich, warum manche Menschen Urlaub einerseits nutzen, um Abstand zu ihrem drögen Alltag zu bekommen – ich bin dann mal weg! - andererseits aber permanent alle Welt via Statusmeldungen daran teilhaben lassen. Merkwürdiger Widerspruch, finde ich. Doch das sei mal dahingestellt.

 

Als ich klein war, habe ich Urlaub immer anders erlebt. Wir waren nie, wie andere Leute, dreimal jährlich im Urlaub und berichteten auch nicht von tollen Stränden oder grandiosen Sehenswürdigkeiten. Aufgewachsen im ländlichen Thüringen und tief geprägt von familienorientierten christlichen Werten lebte meine 7-köpfige Familie Urlaub als Familienzeit. Oft besuchten wir unsere Verwandten oder auch mal eine Familienfreizeit mit dem Fokus auf Gemeinschaft. Da mein Vater im Schichtdienst arbeitete, hatten wir nicht die typischen Wochenenden mit der ganzen Familie, wie das für viele der Fall ist. Daher waren Urlaubszeiten, die wir zumeist im Sommer miteinander gestalteten, kostbare Zeiten, in denen wir als ganze Familie zusammenkamen, Ausflüge planten und das Miteinander genossen.

Urlaub war für mich also nie so klassisch belegt, wie man es aus Reisebüro-Broschüren kennt. Damit war in mir bereits eine sehr große Offenheit vorhanden, was alternative gemeinschaftsorientierte Urlaubsplanungen anbelangt. Hinzu kommt, dass ich immer schon sehr familiennah gelebt habe. Somit war es für mich erst einmal nicht komisch, als ich das erste Mal mit der Familie meines Freundes (und späteren Ehemanns) in den Urlaub ging.

Wichtig bei Urlauben mit der ganzen Familie ist, dass man eine Unterkunft sucht, die jedem einzelnen genügend Freiraum und Rückzugsmöglichkeiten bietet. Auch an Gemeinschaftsräumen, die groß genug sind, sollte es nicht fehlen. Unser Reiseziel ist oftmals Dänemark. Dort hat man die Möglichkeit, große Häuser zu finden, wo zwei separate Schlafzimmerflügel inkl. Badezimmer von einem Gemeinschaftsbereich abgehen. Der Gemeinschaftsbereich mit Küche und Wohnzimmer ist großzügig geschnitten, es gibt bei den meisten Häusern mehrere Terrassen, großzügige Gärten, oft auch mit Spielgeräten oder einem an den Wohnbereich angeschlossenes Poolhaus.

Aber auch Freizeitparks wie z.B. Center Park oder Landal Park sind eine gute Alternative. Dort bietet es sich an, mehrere Häuser nebeneinander zu buchen. Sehr viele Freizeitmöglichkeiten bietet der Park vor Ort.

Durch mehrere Schlafzimmer, am besten in separaten Korridoren und genügend Badezimmern wird es möglich, gemeinsame Zeiten zu gestalten, sich aber auch zurückziehen zu können. Das erachte ich als sehr wichtig, denn jeder hat ein anderes Maß an Geselligkeit. Das Schöne daran, sich mit mehreren Leuten ein Haus zu teilen, ist, dass immer jemand da ist, wenn man reden, abhängen oder gemeinsam spielen möchte. Mit dem Teilen des Hauses kann man sich auch die Kosten teilen. Und falls man mal für sich sein mag, dann hat man sein eigenes Zimmer oder plant einen Spaziergang durch die Dünen - allein.

Die Herausforderung bei einem solchen Urlaub ist, dass man sich natürlich sehr nah kommt und sich Spannungen, bzw. Konflikte nicht vermeiden lassen. Hier ist es hilfreich, wenn man bereits vor dem Urlaub eine lebhafte Streitkultur pflegt, sodass die Dinge auf den Tisch kommen können und man auch wieder entspannt zusammenfinden kann.

So kann es beispielsweise zu Spannungen kommen, wenn man einander (unvermeidbar) näher kennenlernt oder das Bedürfnis nach Gemeinschaft sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Wir handhaben das oft so, dass jeder seine Freiheiten hat, die Dinge zu tun, auf die er im Urlaub eben Lust hat. Der eine macht dann vielleicht einen Segelkurs, während der andere jeden Tag am Strand sitzt. Wir planen allerdings Ausflüge, die wir gemeinsam gestalten, soweit das Interesse daran besteht. Und wir gestalten zumeist eine gemeinsame Mahlzeit am Tag, die immer mal jemand anderes vorbereitet. So lebt nicht jeder nebeneinanderher, man hat aber auch keinen Gemeinschaftszwang.

Ein absolutes plus beim Urlaub mit der ganzen Familie, wenn man selbst schon Kinder hat, ist, dass mehr als vier Augen nach den Kindern sehen. Als Eltern weißt du, dass Urlaub zwar eine ganz nette Sache ist, die Kids dich aber dort genauso fordern, wie zu Hause auch: nix ausschlafen, nix einfach nur chillen, nix abends mal ausgehen. Natürlich: jeder Familienalltag am Strand ist schöner als in der Stadtwohnung ohne Balkon. Aber zusammen mit Großeltern, Tanten und Onkeln unterwegs zu sein, birgt viele zusätzliche Freiheiten: Statt Mama und Papa backen Oma und Opa mit den Enkeln Sandkuchen im Sandkasten oder während Papa sich ein Käffchen gönnt, bespaßen die Tanten die Kinder im Poolbereich. Wir machten bei unserem letzten Urlaub sogar die Erfahrung, dass sich unser Sohn noch eher mit seinen Tanten in den Pool traute, als wenn Mama und Papa versuchten ihn davon zu überzeugen, dass Wasser Spaß macht. Auch die Fahrten bei Ausflügen waren entspannt, da es unser Sohn zumeist vorzog, in einem der anderen Autos mitzufahren. Und so konnten die anderen Familienmitglieder in den manchmal mehrstündigen Unterhaltungsgenuss eines 2-jährigen kommen. Es lebe die „Warum-Phase“!

Ehrlicherweise muss ich an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass es auch dazu kommen kann, dass die Kinder während des Ausfluges lieber bei Oma und Opa abhängen als mit den Eltern. Da platzt natürlich erst einmal die romantische Vorstellung von „mit meinem Kind gemeinsam einen Ausflug genießen“. Autsch!

Konkretes Beispiel: Wir planten einen Ausflug als ganze Familie, also mit Oma, Opa, Tanten, Onkel, in eine Kalkhöhle. Schnell stellte sich heraus, dass unser Großer wenig Lust auf die große Runde durch die Höhle hatte und ihm das Ganze auch nicht so geheuer war. Also fand er Sicherheit bei Oma an der Hand. Dort lief er dann gerne mit, denn Oma und Opa gingen nur die kleine Runde. In dem Moment realisierte ich, dass ich mir diese Zeit anders vorgestellt hatte: Meine kleine Familie, wir zu viert, ungeteilt und mal nur für uns. Diese Enttäuschung musste ich erstmal verdauen. Schnell wurde mir aber bewusst, dass dies ebenso zum Familienurlaub dazu gehört. Man hat Zeiten, in denen wird man von der Familie unterstützt und entlastet. Es ist auch möglich mal zu zweit nur mit dem Partner auszugehen, es gehört aber auch dazu, seine eigenen Vorstellungen zu entdecken und dann offen dafür zu sein, seine Qualitätszeit, die man im Urlaub oft mit Partner und Kindern hat, zu teilen mit all denjenigen, die einen begleiten. An dieser Stelle wurde mir bewusst, dass es ein Leichtes ist, vom Kopf her zu begreifen, dass der Spruch „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“ viel Wahrheit beinhaltet. Es ist aber etwas anderes, diese Wahrheit leben zu wollen, denn dann muss man in der Lage sein, von seinen Vorstellungen zurücktreten zu können und in meinem geschilderten Beispiel die Familienzeit mit Partner und Kindern auf einen Strandnachmittag oder etwas anderes zu verlegen.

 

Wo wir bei der nächsten Herausforderung wären. Ich gehöre zu den Menschen, die ein hohes Maß an Geselligkeit pflegen. Zu meinen Werten gehört es, dabei sein zu wollen. Ich möchte auch gerne andere integrieren und mit einbinden. Im Urlaub mit der ganzen Familie – schier unmöglich, überall dabei zu sein und mitmachen zu können, vor allem mit Kleinkindern und elterlichen Pflichten, Routinen und festen Abläufen. Es hat mich anfangs einiges gekostet, um zu realisieren, dass es völlig ok ist, wenn ich nicht bei jedem Ausflug, jeder Aktion dabei bin und dass es genauso wichtig ist, sich für sich selbst und als Kernfamilie Zeiten einzuräumen und freizuhalten. Mittlerweile bin ich sehr gut darin und habe auch nicht mehr das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich an dem ein oder anderen Event nicht teilnehme. Ich durfte entdecken, dass ich da, wo ich bin, wichtig und richtig bin und im Grunde sind es genau die Zeiten für mich selbst, mit dem Partner und den Kindern, die ich dann nicht missen möchte.

 

Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Urlaubsreport einen Einblick verschaffen in das Miteinander, welches auch im Urlaub möglich ist. Vielleicht ist der ein oder andere geneigt, das selbst mal auszuprobieren, mit Teilen der Großfamilie oder Freunden und Bekannten einen Urlaub zu planen. Ratsam ist auf jeden Fall, dass du innerlich bereit bist, dich zu reflektieren, geübt oder zumindest gewillt bist, offen zu kommunizieren und zudem flexibel, an der ein oder anderen Stelle deine Vorstellungen zugunsten eines gelingenden Miteinanders niederzulegen.

Also sei offen und gespannt, was dich erwartet!

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