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Besser zuhören lernen

Ohrabstriche

„Schatz, hörst du die Grillen? Nee, ich riech nix!“

Hören – der erste Sinn, mit dem wir Menschen die Welt wahrnehmen und unser differenziertester Sinn. Obgleich gerade unser Ohr uns rund um die Uhr mit lebenswichtigen Informationen versorgt, werden wir im Hören sehr schlecht ausgebildet. Die Tatsache, dass wir lesen und schreiben lernen, uns aber niemand beibringt, wie man zuhört, ist fatal! Wieso gibt es kein Unterrichtsfach, in dem wir das Zuhören erlernen? Man erwartet doch schließlich überall von der Menschheit, dass sie zuhört:

Die Kinder sollen den Eltern zuhören, vor allem, wenn sie meckern oder belehren, die Schüler den Lehrern, wenn diese versuchen, für das Leben der heutigen Generation völlig Irrelevantes zu vermitteln, der Arbeitnehmer hat dem Chef zuzuhören, wenn dieser erklärt, wie er die Arbeit erledigt haben will, nachdem er die Mitarbeiter um Ideen gebeten hat.

Wir alle kennen solche Situationen und wissen: Zuhören ist manchmal verdammt schwer!

Die Kunst des Zuhörens besteht darin, nicht zuhören zu wollen, um antworten zu können. Das Zitat von Stephen R. Covey drückt es wie folgt aus: „Die meisten Menschen hören nicht zu, um zu verstehen, sondern um zu antworten.“ Wir alle sehnen uns danach, gehört zu werden, dass man uns zuhört, uns versteht. Nichts aber ist hinderlicher beim Zuhören, als der Drang, nur von sich selbst zu erzählen oder sich vergleichen zu wollen, zu müssen.

Ich glaube, Vergleichen oder der Drang, schnell mit Erfahrungen aus dem eigenen Leben zu antworten, sind die häufigsten Hindernisse guter Kommunikation. Denn dann sind wir keine aktiven Zuhörer, die den anderen verstehen wollen und ganz Ohr sind. Wir sind dann letztlich nur bei uns selbst: Wie wir die Welt sehen, was für uns richtig und wichtig ist und womit wir uns wohlfühlen.

Dann geht es mir darum, schnell etwas nachschieben zu können, damit der andere weiß, dass ich genau dasselbe Problem auch schon hatte und wunderbar gelöst habe. Oder es geht mir darum, mein inneres Vergleichen zu stillen, indem ich entweder beruhigt feststelle, dass ich mit meinem Problem nicht allein bin oder mich darüber freue, dass ich die Probleme des anderen nicht habe.

Ich persönlich erlebe gerade die Konversationen als besonders schmerzvoll, bei denen ich mich offenbare, verletzlich mache, indem ich beispielsweise etwas teile, das schwer für mich ist. Es tut richtig weh, wenn mein Gegenüber mir dann voller Erleichterung erzählt, wie froh er sei, dass das bei ihm nicht so ist. Da habe er ja so ein Glück! Autsch! Hier wird nicht nur ein Vergleich gezogen, sondern auch nicht zugehört. Aufmerksames Zuhören verlangt mir ab, dass ich dem, der spricht, Raum gebe. Dass er einfach nur erzählen darf, ohne, dass ich mit meinen eigenen Erlebnissen seine übertrumpfe oder ihn mit meinen Erfahrungen schlage. Damit nehme ich dem anderen Raum, sich mitzuteilen und bringe mich selbst um die Chance, ihn dadurch besser kennenlernen zu können.

Aufmerksames Zuhören verlangt mir auch ab, dass ich mich in den anderen hineinversetze, versuche, empathisch, mitfühlend zu sein. Warum muss ich direkt aus meinem Leben erzählen, wenn mein Gegenüber nicht danach fragt? Warum ist es so schwer, einfach zuzuhören, nicht um zu antworten, sondern um zu verstehen, dass mein Gegenüber beispielsweise betrübt ist. Würde mir das auffallen, könnte ich ihn in den Arm nehmen, könnte ich mitfühlend erwidern, dass seine Situation sicher ganz schön schwer ist. Ich könnte ihm zugestehen, dass er gerade Großes leistet oder eine schwere Zeit erlebt. Sehnen wir uns nicht alle danach, verstanden zu werden?

Person Spricht Illustration

Doch wie gelingt ein aufmerksames, aktives, den Gesprächspartner fokussierendes Zuhören? Ganz einfach: Mit Selbstbeobachtung und Training. Versuche doch mal, dich nicht aktiv an einem Gespräch zu beteiligen, sondern nur stummer Teilnehmer zu sein. Beobachte währenddessen, wie sich die anderen Personen gegenseitig zuhören, wie sie auf etwas Gesagtes eingehen, was sie erwidern. Versuch doch mal, die Stimmung oder die Emotionen eines Redners einzufangen, statt auf das zu achten, was er sagt. Manchmal sagt Körpersprache mehr als tausend Worte. Und dann bitte Menschen, dir ein Feedback zu geben, wie du ihnen zuhörst. Du kannst dich natürlich nach jedem Gespräch auch selbst reflektieren und dich fragen: Wie habe ich zugehört? Bin ich auf den anderen eingegangen oder habe ich direkt von mir erzählt? Habe ich versucht, den anderen zu verstehen oder wollte ich nur antworten? War ich einfühlsam?

All dies sind Fragen, die helfen können, dir selbst auf die Schliche zu kommen und zu erkennen, ob du ein zugewandter Zuhörer bist. Wenn dir diese Dinge erst einmal bewusst werden, werden sie dir auch zunehmend auffallen und dann kannst du trainieren, deinen Zuhörerstil zu verbessern oder anzupassen. Sei mutig, probier´s doch mal aus. Wir alle brauchen es, gehört zu werden!

Goldener Creolenohrring am Ohr
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